Geschichte der Homöopathie
Samuel Hahnemann Vater der Homöopathie
Samuel Hahnemann hätte am 10. April 2005 seinen 250-sten Geburtstag gefeiert. Hahnemann war bevor er die Homöopathie begründete, ausgebildeter Arzt. Er zeichnete sich früh als unabhängiger Denker aus und er publizierte eigene Werke sowie Übersetzungen wichtiger fremdsprachiger medizinischer Literatur.
Als Sohn eines Porzelan-Malers wurde Christian Friedrich Samuel Hahnemann am 10. April 1755 in Meißen (Sachsen) geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Durch einen Förderer konnte der begabte Junge jedoch die berühmte Fürsten- und Landesschule Sankt Afra besuchen. Als er später in Wien, Leipzig und Erlangen Medizin studierte, lebte er von Sprachunterricht und von Übersetzungen, die er durch zahlreiche eigene Kommentare und Anmerkungen bereicherte. Er sprach fließend Griechisch, Latein, Englisch und Französisch. 1779 bestand Hahnemann das Doktorexamen in Erlangen. Er war mit dem im Studium erworbenen Wissen nicht zufrieden, die theoretischen Grundlagen schienen ihm zu spekulativ. So machte sich bei ihm sehr früh eine kritische Haltung gegenüber der damaligen Schulmedizin bemerkbar, so in einer eigenen Veröffentlichung von 1781 ("Ein katarrhalisches Faulfieber, beobachtet von August 1780 bis Anfang Februar 1781"):
"Ich wage nicht zuviel, wenn ich ... behaupte, daß Epidemien in ihren Anfängen größtenteils leicht zu unterdrückende Krankheiten einzelner Personen sind, die nur durch Nachlässigkeit und Unwissenheit zu einem allgemeinen Würgeengel ausarten... . Nehme ich eine anhaltende ungesunde Witterung, nehme ich Mangel und Armut aus, so fällt die übrige Schuld fast allein auf Anstalten, Krankenwärter und Ärzte, die durch vereinigtes schlechtes Betragen allein schon im Stande sind, mittelmäßige Krankheiten zu bösartigen umzuschaffen."
Hahnemann zeichnete sich bereits als unabhängiger Denker aus, als er 1784 seine erste eigenständige, auf eigenen Erfahrungen beruhende Schrift veröffentlichte ("Anleitung alte Schäden und Geschwüre gründlich zu heilen"):
"Diese Wahl der Mittel und Art der Anwendung ist es, die den wahren Arzt auszeichnet, der keinem Systeme geschworen hat, nichts ununtersucht verwirft, oder aufs Wort für bar annimmt, und der das Herz hat, selbst zu denken und eigenmächtig zu handeln."
Schon in Zeiten, als Hahnemann selbst von der späteren Entwicklung der Homöopathie noch wenig ahnte, veröffentlichte er neben seinen Übersetzungen zahlreiche eigene Werke, naturwissenschaftlichen und medizinischen Inhalts und war dadurch bekannt und geschätzt. Als er jedoch seine neue Behandlungsmethode der medizinischen Öffentlichkeit übergab, machte er sich viele Zeitgenossen zum Feind.
Die bekanntersten Werke Hahnemanns
1786 - Über Arsenikvergiftung, ihre Hilfe und gerichtliche Ausmittelung
1787 - Vorurtheile gegen die Steinkohlenfeuerung
1788 - Über die Weinprobe auf Eisen und Blei
1789 - Kennzeichen der Güte und Verfälschung der Arzneymittel
1789 - Entdeckung eines neuen Bestandteils im Reißblei.
1789 - Unterricht für Wundärzte
1793 - 1799 - Apothekerlexikon
Enttäuscht von der Schulmedizin
Da er sehr enttäuscht über die oft schädigenden Behandlungsweisen der damaligen Schulmedizin war, gab er seine praktische Tätigkeit als Arzt nach 8 Jahren auf. Obwohl, der mittlerweile verheiratete Hahnemann, eine große Familie zu versorgen hatte.
"Ich machte mir ein empfindliches Gewissen daraus, unbekannte Krankheitszustände bei meinen leidenden Brüdern mit diesen unbekannten Arzneien zu behandeln, die als kräftige Substanzen, wenn sie nicht genau passen, (und wie konnte sie der Arzt anpassen, da ihre eigentlichen speziellen Wirkungen noch nicht erörtert waren?) leicht das Leben in Tod verwandeln... . Auf diese Weise ein Mörder oder Verschlimmerer des Lebens meiner Menschenbrüder zu werden, war mir der fürchterlichste Gedanke, so fürchterlich und ruhestörend für mich, daß ich in den ersten Jahren meines Ehestandes die Praxis ganz aufgab und fast keinen Menschen mehr ärztlich behandelte, um ihm nicht noch mehr zu schaden und bloß - wie Sie wissen - mich mit Chemie und Schriftstellerei beschäftigte... ."
(Brief an Hufeland, 1808)
Behandlung von Geisteskrankheit
Erst Jahre später als er wieder eine Chance sah Menschen zu behandeln ohne sie zu Verletzen, gründete Samuel Hahnemann 1792/1793, eigens für einen prominenten Geisteskranken, den Geheimen Kanzleisekretär Klockenbring aus Hannover eine eigne Anstalt. Er widmete sich ein dreiviertel Jahr ausschließlich diesem einen Kranken. Die damaligen Einrichtungen beschränkten sich darauf, Geisteskranke zu ernähren und dafür zu sorgen, das sie sich selbst und anderen nichts antaten. Oft wurden solche Patienten geschlagen, angekettet, zum Vergnügen von Besuchern gereizt. Hahnemann war der erste, der sich bewußt von dem damals üblichen Umgang mit Geisteskranken abgekehrt hat. Nach einem dreiviertel Jahr Behandlung konnte er Klockenbring als genesen und wieder arbeitsfähig entlassen. Der sonderbare Heilungsfall sprach sich damals rumm, doch blieben andere Kranke aus, und die Heilanstalt wurde wieder geschlossen.
"... da ich keinen Wahnsinnigen je mit Schlägen oder anderen schmerzhaften körperlichen Züchtigungen bestrafen lasse, weil es für Unvorsätzlichkeit keine Strafe gibt, und weil diese Kranken bloß Mitleid verdienen und durch solche rauhe Behandlung immer verschlimmert, wohl nie gebessert werden: so zeigte er mir oft mit Tränen die Reste der Schwielen von Stricken, deren sich seine vorigen Wärter bedient hatten..."
Kritik an der Behandlung des Kaisers Leopold II
Der seit 1790 regierende Kaiser Leopold II. von Österreich starb schon zwei Jahre nach seinem Amtsantritt. Er war bis zum Schluß von seinem Leibarzt Hasenöhrl (der sich Lagusius nannte) v. a. mit Aderlaß behandelt worden. Dieser rechtfertigte sich wegen des Aufsehen erregenden plötzlichen Todes Kaiser Leopolds mit einem Artikel zur Krankengeschichte des Monarchen. Im Frühjahr 1793 forderte Hahnemmann die ganze medizinische Zunft seiner Zeit heraus, als er einen großes Aufsehen erregenden Artikel veröffentlichte, in dem er den damals als Standardbehandlung geltenden Aderlaß aufs Schärfste kritisierte. Der Aderlaß wurde von nahezu allen Autoritäten empfohlen, um ein Zuviel an Blut, die krankhafte Verteilung, Stockungen und Blutstau zu behandeln. Der Überfluß sollte weggeschafft werden, indem man das Blut abließ wie aus einem Wasserhahn. Wie richtig Hahnemanns Kritik aus heutiger Sicht auch war, so provozierend war sie für seine ärztlichen (!) Zeitgenossen, die zum Großteil seiner vernünftigen Argumentation nicht im Geringsten zugänglich waren.
"Die Berichte sagen:, sein Arzt Lagusius habe den 28. Februar früh ein heftiges Fieber und den Unterleib angeschwollen gefunden' - er setzte dem Übel einen Aderlaß entgegen, und da dieser keine Erleichterung bewirkte, noch drei Aderlässe ohne Erleichterung. Die Kunst fragt, nach welchen Grundsätzen man mit Fuge einen zweiten Aderlaß verordnen könne, wenn ein erster keine Erleichterung verschaffte? wie man ein drittes -, Himmel! und wie man ein viertes Mal Blut lassen dürfe, wenn bei keinem vorigen Male Erleichterung entstanden? -- einem abgemagerten, durch Anstrengung des Geistes und langwierigen Durchlauf [Anm.: Durchfall ] entkräfteten Manne viermal binnen 24 Stunden den Lebenssaft abzapfen dürfe, immer, immer ohne Erleichterung. Die Kunst erblaßt. Der Krankenbericht des Leibarztes besagt:, Der Monarch wurde am 28. Februar von einem rheumatischen Fieber (welche Symptome hatte dies, um erkennen zu können, daß es rheumatischer Natur sei?) und einer Brustkrankheit (und welche der vielen Brustkrankheiten, deren die wenigsten Aderlaß ertragen?...) überfallen und sogleich suchte man die Heftigkeit des Übels durch Aderlassen und andere nöthige Mittel (Deutschland - Europa - hat ein Recht zu fragen welche?) zu hemmen. Am 29. vermehrte sich das Fieber (nach dem Aderlaß! und dennoch - ) man ließ dem erhabenen Kranken (noch) dreimal eine Ader öffnen, worauf einige (andere Berichte sagen deutlich: keine) Erleichterung folgte; aber die folgende Nacht war äußerst unruhig und schwächte sehr die Kraft des Monarchen (man denke! die Nacht und nicht der viermalige Aderlaß schwächte den Monarchen so sehr, und dies konnte Herr Lagusius so deutlich sehen - ), der am 1. März anfing, sich mit der schrecklichsten Erschütterung zu erbrechen und alles von sich zu geben, was er einnahm (und doch verließen ihn seine Ärzte, so daß kein Einziger bei seinem Tode zugegen war, und einer ihn noch nachdem außer Gefahr angab?). Um 1/2 4 Uhr nachmittags verschied er unter Erbrechen in Gegenwart der Kaiserin."
Leopolds Ärzte forderte er auf, sich öffentlich zu rechtfertigen, und der Leibarzt Lagusius versprach einen ganz genauen Bericht, der jedoch nie erscheinen sollte.
Aus allem Vorhergehenden wird deutlich, daß Hahnemann schon in jener Zeit, bevor er die Homöopathie entwickelte, ein bedeutender Arzt seiner Zeit war. Nachdem er seine Zeitgenossen wegen ihrer seiner Meinung nach oft verderblichen Behandlung von Kranken oft scharf und polemisch angegriffen hatte und noch dazu die Homöopathie ins Leben gerufen hatte, war sein Ruhm innerhalb der Ärzteschaft allerdings bald dahin, die Patienten jedoch reisten später per Kutsche aus ganz Europa an.
[Über die damals übliche Behandlung und wie Hahnemann darüber dachte, kann man u. a. in der Einleitung von Hahnemanns "Organon der Heilkunst" genaueres nachlesen. Sehr lesenswert!
Homöopthie im Selbstversuch
Im Jahr 1790 erscheint Hahnemanns Übersetzung von William Cullen's Abhandlung über die Materia medica, die insofern bedeutend ist, weil man hier eine Fußnote Hahnemanns über ein bekanntes Heilmittel von Wechselfieber, die Chinarinde, findet.
"Man kann durch Vereinigung der stärksten bittern und der stärksten adstringirenden Substanzen eine Zusammensetzung bekommen, welche in kleinerer Gabe weit mehr von beiden Eigenschaften besitzt, als die Rinde hat, und doch wird in Ewigkeit kein Fieberspecificum aus einer solchen Zusammensetzung. Dies hätte der Verf. beantworten sollen. Dies uns zur Erklärung ihrer Wirkung noch fehlende Principium der Rinde wird wohl so leicht nicht ausfindig gemacht werden. Man bedenke jedoch folgendes. Substanzen, welche eine Art von Fieber erregen (sehr starker Kaffee, Pfeffer, Wolferlei, Ignazbohne, Arsenik) löschen die Typen des Wechselfiebers aus. - Ich nahm des Versuchs halber etliche Tage zweimahl täglich jedesmahl vier Quentchen gute China ein; die Füse, die Fingersitzen u.s.w. wurden mir erst kalt, ich ward matt und schläfig, dann fing mir das Herz an zu klopfen, mein Puls ward hart und geschwind; eine unleidliche Ängstlichkeit, ein Zittern (aber ohne Schauder), eine Abgeschlagenheit durch alle Glieder; dann Klopfen im Kopfe, Röthe der Wangen, Durst, kurz alle mir sonst beim Wechselfieber gewöhnlichen Symptomen erschienen nacheinander, doch ohne eigentlichen Fieberschauder. Mit kurzem: auch die mir bei Wechselfiebern gewöhnlichen besonders charakteris-tischen Symptomen, die Stumpfheit der Sinne, die Art von Steifigkeit in allen Gelenken, besonders aber die taube widrige Empfindung, welche in dem Periostium über allen Knochen des ganzen Körpers ihren Sitz zu haben scheint - alle erschienen. Dieser Paroxysm dauerte zwei bis drei Stunden jedesmahl, und erneuerte sich, wenn ich diese Gabe wiederholte, sonst nicht. Ich hörte auf, und ich war gesund."
(Cullen, 2. Band, Leipzig 1790, S. 108-109)
Das war 1790, als Hahnemann davon berichtet, er habe jedes Mal, wenn er die Chinarinde einnahm, malariaähnliche Symptome bekommen, und er vermutet, daß die Chinarinde womöglich deshalb so oft Malaria geheilt haben könnte. Viele Versuche folgen. Doch schon Anton Störck (1731-1803), ein bedeutender Vertreter der Ersten Wiener Schule, hatte eine experimentelle Arzneimittelforschung betrieben, deren Ergebnisse dem mit der Medizin seiner Zeit bestens vertrauten Hahnemann natürlich bekannt waren, so formulierte Störck schon 40 Jahre vor Hahnemann das Prinzip der Ähnlichkeits-Beziehung zwischen Arznei und Krankheit zumindest als Idee.
"Wenn der Stechapfel den Geist zerrüttet und bei Gesunden Wahnsinn hervorbringt, sollte man dann nicht versuchen dürfen, ob er bei Wahnsinnigen durch Umänderung der Ideen den gesunden Verstand wiederbringen könne?"
(Störck: Libellus, 1762, S.8)
Hahnemann hatte 1777 in Wien bei Joseph Quarin studiert, der seinerseits von Störck beeinflusst war, und verwendete die neuen Medikamente Störcks auch in der Zeit vor der Homöopathie schon ausgiebig. Man darf wohl annehmen, dass das Ähnlichkeitsprinzip Hahnemann nicht erst mit dem Chinarinden-Versuch als plötzliche Idee überfiel, sondern dass es dorthin eine längere Entwicklung gegeben hatte, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.
1796 Geburtsstunde der Homöopathie
Als Geburtsjahr der Homöopathie gilt heute im allgemeinen das Jahr 1796, als Hahnemanns Artikel "Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen" im "Journal der praktischen Arzneikunde" erschien. Herausgeber dieser angesehenen medizinischen Fachzeitschrift war kein Geringerer als Christoph Wilhelm Hufeland (1762 - 1836). Hier beginnt die eigentliche Geschichte der Homöopathie, sechs Jahre nach Hahnemanns Versuchen mit der Chinarinde. Nun sollte es vorbei sein mit den Gewissensnöten, denn er hatte das "Ähnlichkeitsgesetz" gefunden und publizierte seine Gedanken dazu.
"Man ahme der Natur nach, welche zuweilen eine chronische Krankheit durch eine andre hinzukommende heilt, und wende in der zu heilenden (vorzüglich chronischen) Krankheit dasjenige Arzneimittel an, welches eine andre, möglichst ähnliche, künstliche Krankheit zu erregen im Stande ist, und jene wird geheilet werden; Similia similibus."
(Hahnemann 1796)
Nun wendet Hahnemann seine Arzneien nur noch nach dem Prinzip der Ähnlichkeit an, zunächst noch in starker Dosis, dann immer stärker verdünnt und schließlich auch "potenziert". Gegner der Homöopathie, die übrigens allzu oft kaum mit den Inhalten dessen vertraut sind, was sie so ausgiebig als Unsinn kritisieren, wissen sehr häufig gar nichts davon, dass das Prinzip der Ähnlichkeit auch ohne die für die Homöopathie spezifische Art der Arzneizubereitung, die Potenzierung, wirksam ist! Das Argument, es kann ja gar nicht funktionieren, weil in den Arzneien "nichts drin" sei, ist schon damit hinfällig. Diese Art der Anwendung der Arzneien nach dem Prinzip "Ähnliches werde mit Ähnlichem geheilt" - "Similia similibus curentur" nennt Hahnemann 1807 erstmals...